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Hinweise zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen


Freiheitsentziehende Maßnahmen: Was genau ist das und welche Alternativen gibt es?


Nachfolgend finden Sie einige Informationen zum Thema "Freiheitsentziehende Maßnahmen".Bitte beachten Sie, dass es aufgrund unterschiedlicher Rechtslagen in den Bundesländern sowie Nachbarstaaten zu Abweichungen kommen kann. Wir weisen ebenfalls darauf hin, dass wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Für weiterführende Informationen empfehlen wir die Literatur.Die persönliche Freiheit und die damit verbundene Entscheidungsfähigkeit sind besonders wertvolle Güter, die stets geschützt werden müssen. Dies ist auch in Art. 2,2 des Grundgesetzes festgehalten: "Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden."

Sollte sich jedoch unser Entscheidungsvermögen derart verändern, sei es durch Krankheit und/oder Alter, dass unsere eigene, wie auch die Sicherheit unserer Mitmenschen hiervon stark negativ betroffen sind, wenn nicht sogar gefährdet wird, kann es dazu führen, dass unsere persönliche Freiheit durch Dritte eingeschränkt werden muss. Konkret wird dann die Frage gestellt, ob Freiheitsentziehende bzw. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen (kurz: FeM) Anwendung finden oder ob es anderweitige Lösungsmöglichkeiten gibt. Da es sich hierbei verständlich um ein sehr sensibles Thema handelt, ist es überaus wichtig, genau zu prüfen, ob und in welchem Umfang FeM notwendig sind. Natürlich sind wir auch hier gesetzlich geschützt, denn die langfristige Anwendung derartiger Maßnahmen darf nicht ohne Weiteres stattfinden:

So gilt zuallererst der Grundsatz FeM nach Möglichkeit zu vermeiden. Es gibt aber Situationen, in denen freiheitsentziehende Maßnahmen laut des Leitfadens des bayer. Pflegeausschusses „durchgeführt werden sollten, nämlich bei:

  • Hohem Verletzungsrisiko durch einen Sturz
  • Gesundheitsgefahr, z.B. durch Gefahr der Entfernung von Infusionen;
  • Aggressivem Verhalten, durch das die Betroffenen selbst gefährdet werden;
  • Starke Unruhe, die zu gesundheitlicher Beeinträchtigung führt

Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur dann angebracht, wenn alle anderen Möglichkeiten versucht wurde und keinen Erfolg hatten.“(1)


Wer entscheidet über die Anwendung von FeM?


Die Entscheidung, ob zum Zwecke des Selbstschutzes Maßnahmen erforderlich sind und angewandt werden dürfen, liegt grundsätzlich bei der betroffenen Person. Hierzu ist eine schriftliche Einwilligung erforderlich. Ist die betroffene Person nicht mehr einwilligungsfähig, trifft diese Entscheidung ein Bevollmächtigter bzw. ein rechtlicher Betreuer. Diese bedürfen der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht.(2) Weiterführende Informationen zu Vollmacht oder Betreuungsverfügung finden Sie in der Veröffentlichung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz: "Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter" als PDF-Datei unter www.justiz.bayern.de/buergerservice/broschueren


Wie werden FeM definiert?


„Man spricht von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, wenn ein Bewohner gegen seinen natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise in seiner Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann. Grundsätzlich stellen alle Maßnahmen, die den betroffenen Bewohner gegen seinen natürlichen Willen darin hindern, seinen Aufenthaltsort zu verändern, freiheitsbeschränkende Maßnahmen dar. Wird dies über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig durchgeführt, so ist eine Genehmigung des zuständigen Vormundschaftsgerichts nach § 1906 Abs. 4 BGB erforderlich. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn der Betroffene wirksam in die Maßnahme eingewilligt hat (z. B. ein Bettgitter hochzuziehen, weil er sich dann sicherer fühlt). Voraussetzung ist allerdings, dass der Bewohner in Bezug auf die konkrete Maßnahme noch einwilligungsfähig ist, er muss insbesondere die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung erkennen können. Eine Genehmigung des Gerichts ist ebenfalls nicht erforderlich, wenn der Heimbewohner zu einer Fortbewegung überhaupt nicht mehr in der Lage ist; es liegt in diesen Fällen keine Freiheitsbeschränkung vor.“(3)

Kritik an FeM

Fixierungen sowie weitere bewegungseinschränkende Maßnahmen (z.B. Medikation von ruhigstellenden Pharmazeutika) gelten als höchst umstrittene Handlungsmaßnahmen im Umgang mit Sturzgefährdung und Verhaltensauffälligkeiten. Auch bei der Entscheidungsfindung ob und in welchen Ausmaß FeM anzuwenden sind, herrscht bei Pflegenden oft Unsicherheit, da sie sich stets in dem Dilemma zwischen Wahrung der Fürsorgepflicht (Schutz vor sturzbedingtem Verletzen) und andererseits der Förderung von Mobilität und Autonomie des zu Pflegenden befinden.(4) „Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die entscheidende Frage, ob bewegungseinschränkende Maßnahmen nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt eine effektive Schutz- oder Kontroll-Maßnahme darstellen. […] Nach aktuellem Stand des Wissens gibt es in der Tat keine Studie weltweit, die einen positiven Effekt von Fixierungen belegt. Im Gegenteil können Fixierungen erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Die Datenlage gibt zahlreiche Hinweise auf direkte (z.B. psychischer Stress, Quetschungen, Hautabschürfungen, Strangulation bei Versuchen, sich zu befreien) und indirekte (Immobilisation, medizinische Komplikationen) Gefahren mit Verschlechterung von Allgemeinzustand und Lebensqualität bis hin zum Tod. Bei Pflegenden geht das Erleben dieser Negativspirale nicht selten mit reduzierter Arbeitszufriedenheit, Schuld- und Ohnmachtsgefühlen einher und kann schließlich sogar im Burnout münden.“(5)


Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen

Um dieser Negativspirale zu entgehen, sollten stets Alternativen zu FeM in Betracht gezogen werden. „Die einzig richtige Alternative gibt es nicht. Jede Alternative muss auf den einzelnen, individuellen Fall bezogen und auch deren Risiken müssen geprüft werden. Jede Suche nach Alternativen beginnt zunächst mit der Suche nach Ursachen für das (gefährdende) Verhalten. Lassen sich mögliche Ursachen beheben, ist die Alternative gefunden. Wichtig ist, dass alle an der Betreuung und Versorgung beteiligten Personen sich am Prozess der Ursachenfindung beteiligen. […] Folgende Ursachen sollten bei der Problemanalyse in Betracht gezogen werden: […]

  • Schmerzen/Unwohlsein
  • Ausscheidung (Harnverhalt)
  • Hunger/Durst
  • Bewegungsbedürfnis
  • Geborgenheit/Zugehörigkeit
  • Ungünstige Umgebungsbedingungen
  • Unvorteilhafte Kommunikationsformen“(6)

Zusätzlich sollten medizinische Ursachen wie Infekte, Schilddrüsenstörungen, Depressionen, Fehlmedikation etc. analysiert werden. Anschließend können bessere Alternativen im Umgang mit der zu pflegenden Person herausgefunden werden:(7)

  • Medikation ändern (Überprüfung durch gerontologisch erfahrenen Psychiater einfordern!)
  • Mobilität gezielt fördern (Balance- und Krafttraining)
  • Pflegekonzept/organisationsgestützte Alternativen
  • pflegerische Alternativen (z. B. im Umgang mit herausforderndem Verhalten)
  • Umgebungsanpassung und baulich-architektonische Maßnahmen (sichere Umgebung)
  • Hilfsmittel und technisch-elektronische Lösungen

 

Dabei ist auch zu hinterfragen, lassen sich die Alternativen realisieren? Welche Risiken bergen die Alternativen?(8)

Allgemein wird empfohlen, Lösungs- und Thearpiewege zu finden, die beispielsweise den Bewegungsdrang von Bewohnern ausüben lassen oder die kognitive Leistungsfähigkeit trainieren. Auch Musik- und Klangtherapien können Verhaltensauffälligkeiten positiv beeinflussen.


Desorientiertenschutz als Alternative

Mithilfe des Desorientiertenschutz  lassen sich bereits sehr einfach sichere Räume und Bereiche schaffen, um Bewegung in einem gesicherten Umfeld zu schaffen. Durch die am Handgelenk getragenen Transponder und die an den Ein- und Ausgängen angebrachten Lese-/Empfangseinheiten können sich Bewohner einer Pflegeeinrichtung frei bewegen und das Pflegepersonal wird sofort informiert, wenn ein sicherer Bereich verlassen wird und kann entsprechend begleiten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit die Trittmatten Raphael-Caremat in Einsatz zu bringen, damit das Pflegepersonal rechtzeitig informiert wird, wenn eine sturzgefährdete Person das Bett verlassen hat.



Sollten trotz aller Alternativen FeM in Betracht gezogen werden, gelten folgende Punkte:



Entscheidungsprinzipien/Leitgedanken"

  • Vor jedem Handeln das Verhalten der Betroffenen verstehen und mögliche Ursachen ermitteln. Das Wahlrecht und die Selbstbestimmung der Betroffenen auch bei eingeschränkter kognitiver Leistung würdigen.
  • Interdisziplinär Entscheidungen treffen und tragen.
  • Die FeM ist die letzte Alternative in der Kette der Behandlungsmöglichkeiten.
  • Der potenzielle Nutzen der FeM muss höher sein als der Schaden.
  • FeM nur fachlich begründet anwenden.
  • Die FeM hat immer eine begrenzte Dauer.
  • Die FeM muss verhältnismäßig und angemessen sein.
  • Die minimalste Form der FeM muss angewandt werden.
  • FeM legalisieren.
  • Patientenverfügunge sind zu beachten.
  • Die Notwendigkeit der FeM immer wieder überprüfen. Routine vermeiden“(9)

Quellen und Literatur

(1) Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen: Leitfaden des Bayer. Pflegeausschusses. Aufrufbar unter: http://www.kh-cirs.de/faelle/pdf/BayStaats-VerantwortungsvollerUmgangFEM.pdf, Seite 20.

(2) Ebd.

(3) Walther, Guy: Freiheitsentziehende Maßnahmen in Altenheimen – rechtliche Grundlagen und Alternativen der Pflege, in: Ethik in der Pflege (ISSN:0935-7335), Ausg. 29/2007. S.289.

(4) Prof.Dr. Bredthauer, Doris: Können Fixierungen bei dementen Altenheimbewohnern vermieden werden?, in: Zeitschrift Betreuungsmanagement, 2.Jg., Heft 4, 2006, S.185.

(5) Ebd. S. 186.

(6) Dr. Renaud, Dagmar; Dr. Nicolay, Elke; Battis, Sabine: „Mehr Freiheit in der Pflege wagen“ – Alternativen zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen, in: Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (Hg.):  Information für Pflegekräfte zu Risiken und Alternativen, 2015. S.16.

(7) Ebd. S.17.

(8) Ebd. S.17.

(9) Ebd. S18.